GOOD PRACTICE – Karrieren von Frauen fördern

Louisa Stratmann ist Projektmanagerin im Essener Familienbetrieb Metallgestaltung Stratmann. 1985 von ihrem Vater Michael Stratmann als Ein-Mann-Schmiede gegründet, hat das Handwerksunternehmen am historischen Standort Deilbachhammer heute über 20 feste Mitarbeitende. Leidenschaft und Hingabe zeichnet die Arbeit im Team aus, die ein jahrtausende altes Handwerk mit modernen Fertigungstechniken und zeitloser Gestaltung verbindet. Obwohl Louisa Stratmann beruflich erst andere Wege einschlug, identifiziert sie sich jetzt zu 100 Prozent mit dem einzigartigen Familienbetrieb und ihr wird ein neuer Karriereweg eröffnet. Für den traditionellen Handwerksberuf will die junge Managerin nun ebenfalls mehr Frauen gewinnen.
Competentia MEO: Sie arbeiten in Ihrem Familienbetrieb in einer männerdominierten Branche. Was hat Sie dazu bewogen, selbst dort einzusteigen? Welche Ausbildung haben Sie gemacht und welchen Beruf üben Sie aus? Sehen Sie sich als Vorbild?
Louisa Stratmann: Mein Bachelorstudium habe ich in Kulturwissenschaften mit BWL als Nebenfach absolviert, anschließend folgte ein Master in Europastudien. Ehrlich gesagt hätte ich früher nie gedacht, dass ich einmal in den Familienbetrieb einsteige – obwohl ich ihn seit meiner Kindheit kenne und bewundere. Mein Weg dorthin war eher eine Mischung aus gutem Timing und glücklicher Fügung.
Im Betrieb bin ich mittlerweile für das Anfragen- und Projektmanagement in der Metallgestaltung verantwortlich. Ich begleite Projektanfragen von der ersten Idee bis zum Auftrag, berate Kunden, erstelle Entwürfe, kläre organisatorische Details und erstelle Angebote. Danach übernimmt unser Team im technischen Büro die konstruktive Umsetzung, während ich weiterhin die Kommunikation mit den Kunden halte. Zusätzlich kümmere ich mich um Marketing, Personalsuche und Teamentwicklung.
Besonders spannend finde ich, wie viele Aspekte meines Studiums ich heute anwenden kann – auch wenn Studium und Job zunächst vielleicht sehr unterschiedlich klingen. Ob es um Projektorganisation, zielgruppenspezifische Kommunikation, Texting, Social Media oder die kulturelle Bedeutung und Sichtbarkeit des Handwerks in unserer Gesellschaft geht – all das Wissen und die Fähigkeiten, die ich im Studium erlernen konnte, kann ich heute in diese Arbeit einfließen lassen.
Competentia MEO: Wie sieht Frauenförderung in Ihrem Betrieb aus? Gibt es tatsächlich Gleichberechtigung? Worin bestehen die Herausforderungen?
Louisa Stratmann: Inzwischen gibt es in unserem Team eine Auszubildende und eine Metallbauerin in der Werkstatt sowie mit mir drei Frauen in Verwaltung und Organisation. Zusätzlich startet Mitte April eine japanische Kunstschmiedin bei uns. Es ist also eine sehr positive Entwicklung zu verzeichnen. Ich bin überzeugt, dass Frauen andere Frauen anziehen und maßgeblich zu einem positiven Teamklima beitragen.
Unser Team ist insgesamt recht jung, und aus meinen eigenen Erfahrungen sowie Gesprächen mit Kolleginnen habe ich den Eindruck, dass wir eine offene Teamkultur leben, in der sich Frauen gleichberechtigt fühlen. Natürlich gibt es immer Luft nach oben! Eine der größten Herausforderungen ist zum Beispiel, dass wir nach wie vor deutlich mehr Bewerbungen von männlichen Metallbauern erhalten – einfach, weil es in diesem Berufsfeld generell mehr Männer gibt. Deshalb müssen wir noch früher ansetzen: schon in der Schule, um junge Mädchen für das Handwerk zu begeistern.
Competentia MEO: Wie viele Frauen haben Sie bereits in der Metallverarbeitung ausgebildet und welche Berufschancen eröffnen sich diesen?
Louisa Stratmann: Mit unserer aktuellen Auszubildenden qualifizieren wir die erste Frau in unserem Betrieb zur Metallbauerin. Die Berufschancen sind sehr gut, denn qualifizierte Handwerkerinnen und Metallbauerinnen werden dringend gesucht. Dennoch gibt es nach wie vor viele Vorurteile im Handwerk. Eine Kollegin erzählte mir beispielsweise von unangenehmen Bewerbungsgesprächen und direkten Absagen aufgrund ihres Geschlechts. Es bleibt also noch viel zu tun, um die Branche weiter zu öffnen und mehr Frauen den Einstieg zu erleichtern.
Competentia MEO: Suchen Sie bei Bewerbungen gezielt nach Frauen? Wenn ja, auf welchen Wegen?
Louisa Stratmann: Leider erhalten wir in unserer Branche immer noch relativ wenige Bewerbungen von Frauen. Um Mädchen und Frauen zu ermutigen, arbeiten wir aktiv daran, eine geschlechtersensible und inklusive Sprache in unseren Stellenausschreibungen zu verwenden. Zudem nehmen wir an Veranstaltungen wie dem Girl‘s Day teil, um junge Frauen für das Handwerk zu begeistern. Wir hatten auch bereits mehrere Praktikantinnen bei uns – Schülerinnen, Studentinnen und andere Interessierte – und haben immer sehr positive Rückmeldungen erhalten.
Zusätzlich möchten wir öffentlich zeigen, dass Frauen bei uns arbeiten und viel Freude an ihrem Beruf haben, um als Vorbilder zu wirken und Sichtbarkeit zu schaffen. Unter anderem hat die WAZ kürzlich zum Thema „Frauen in Männerberufen“ unsere Auszubildende porträtiert. Damit hoffen wir, die Branche insgesamt weniger „männlich“ erscheinen zu lassen und Frauen zu zeigen, wie spannend und erfüllend dieser Beruf sein kann.
Competentia MEO: Was raten Sie jungen Frauen, die sich für einen „klassisch männlichen“ Handwerksberuf interessieren?
Louisa Stratmann: Das Handwerk hat so viel zu bieten! Du siehst jeden Tag, was du erschaffst, und verbindest traditionelle Handwerkskunst mit moderner Technik und Design. Du gestaltest Dinge, die oft für die Ewigkeit sind – und das macht die Arbeit besonders wertvoll. Jeder Tag ist anders, das Handwerk ist unglaublich vielseitig und bietet eine Zukunft mit Sinn und Tiefe. Auch wenn einige Handwerksberufe immer noch von Männern dominiert sind, spüre ich, dass sich die Dinge verändern. Immer mehr Betriebe leben eine offene Unternehmenskultur, die Raum für alle schafft. Wir können gemeinsam den Wandel vorantreiben und die klassischen Stereotypen durchbrechen. Dazu braucht es Mut, Kreativität und Zusammenarbeit. Also, nur zu – trau Dich!
Können Frauen Metall schmieden? Selbstverständlich! Louisa Stratmann geht engagiert voran, wenn es heißt, Frauen im Handwerk zu fördern. Ihr Weg in den Job war ungewöhnlich. Gerade deshalb ermutigt sie Frauen dazu, ihre Talente zu entdecken und sich in männerdominierten Branchen ihren Platz zu erobern. Die Berufsaussichten sind super, und bekanntlich erreichen gemischte Teams gemeinsam mehr. Die Arbeitswelt bietet enorme Chancen für Frauen – es lohnt sich absolut, bei der Entscheidung für Ausbildung oder Studium einen weiten Blick zu haben! Und bestehende Handwerksbetriebe sind gut beraten, Frauenförderung zur Priorität zu machen.
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